Social Shoals - About (im)possibilities of socially distributed navigation |
The technique of navigation is a cultural tradition that allows actors to control their movement from an initial point to a destination. Based on this definition we will explore problems, possibilities and implementations of navigational functions in social systems. The emphasis will be placed on the distribution of those functions throughout the system. In this passage we are looking for a new perspective on processes of self-governance in social systems. |
Untiefen des Sozialen - Über Möglichkeiten und Unmöglichkeiten sozial verteilter Navigation |
Mit der Technik der Navigation liegt eine Kulturtradition vor, mit der Akteure und Akteurinnen ihre Bewegung von einem Ausgangspunkt A zu einem Ziel B kontrollieren. Von dieser Definition ausgehend werden Probleme, Möglichkeiten und Implementierungen von Navigationsfunktionen in sozialen Systemen untersucht, wobei ein thematischer Schwerpunkt auf die Verteilung dieser Funktionen im System gelegt wird. Mit diesem Thema wird ein neuer Blickwinkel auf Fragen der Selbst-Steuerung sozialer Systeme angestrebt.
Navigation Navigation kann als eine Technik verstanden werden, mit der ein Akteur seine Bewegung von einem Ausgangspunkt zu einem Zielpunkt kontrolliert. Der Begriff beschreibt damit ein erfolgreiches Umsetzen von Wahrnehmungen der Umwelt eines Akteurs in Handlungen. Der Akteur ist ein erfolgreicher Navigator, soweit er sein Ziel erreicht und nach Messung der zurückgelegten Wegstrecke und der Reisegeschwindigkeit des Akteurs lassen sich mehr oder weniger effiziente Navigationsmethoden unterscheiden. Gegebenenfalls können auch Navigationsfehler untersucht werden, wenn Akteure beobachtet werden, die ihr Ziel in einem gegebenen Zeitfenster überhaupt nicht erreichen. Navigation wird mitunter von Steuerung unterschieden. Wird dieser Unterschied gemacht, verhalten sich Navigation und Steuerung ähnlich zueinander wie die Begriffe Strategie und Taktik. So wie eine bestimmte Taktik als die Umsetzung einer vorher ausgearbeiteten Strategie in der Praxis einer Konfliktsituation angesehen werden kann, kann Navigation als die Planung einer Route verstanden werden, anhand derer der Akteur auf sein Ziel hin zusteuert. In beiden Fällen entsteht allerdings laufend das Problem, daß die Umsetzung der Planung kontrolliert werden muß, daß die gefaßte Planung erinnert werden muß und daß die Planung hinreichend komplex sein muß um der Komplexität der sich auf dem Weg von A nach B stellenden Situationen gerecht zu werden aber gleichzeitig einfach genug sein muß um adäquate Reaktionszeiten des steuernden Akteurs sicherzustellen (man kann natürlich auch Funktionen, die trotz der Komplexität der Situation die Umsetzung von Planungen sicherstellen der Intelligenz des Akteurs zuschreiben). Zeitlich passiert Navigation somit immer vor Steuerung. Diese zeitliche Abfolge gilt auch, wenn Navigation und Steuerung arbeitsteilig zwischen verschiedenen Individuen aufgeteilt wird: Der steuernde Akteur reagiert auf Anweisungen des navigierenden Akteurs (wobei dann allerdings die Handlungen des steuernden Akteurs wieder neue Aufgaben für den navigierenden Akteur bringen; insofern ensteht eine Feedbackschleife. Generell kann man aber davon ausgehen, dass der Prozess erst durch eine initierende Navigationsanweisung zum Laufen kommt). In einer solchen Unterscheidung taucht der Begriff Navigation dann auf zwei Ebenen auf. Erstens auf der Ebene der Individuen, als diejenige Tätigkeit, die aus der gegenwärtigen Position und ihrer Relation zu einer bestimmten Zielposition Anweisungen für die Steuerung auf dieses Ziel hin erzeugt (üblicherweise als "Kurs" bezeichnet). Zweitens auf der Ebene des Konglomerats Navigator/Steuermann, als der Prozess, der Navigator/Steuermann von einem Ausgangspunkt A zu einem Ziel B führt. Erfolgreiche Navigation ist vom Vorliegen von Wegmarken abhängig. Ein sichtbares Ziel beispielsweise gibt eine Richtung vor, in der man sich auf es zubewegen kann. Um die eigene Position und seine relative Lage zu einem gewählten Ziel genau zu bestimmen wird aber mehr Information benötigt. Ist der Zielpunkt beispielsweise nicht sichtbar, wird eine Liste von in unterschiedlichen Reiseabschnitten jeweils sichtbaren Etappenzielen benötigt. Dadurch ergibt sich auch eine grobe Information über die noch zurückzulegende Entfernung. Die Etablierung solcher Listen führt zu Wegesystemen und Karten. Wegesysteme stellen direkte Eingriffe in die Landschaft, innerhalb derer navigiert wird dar. Karten versuchen die relative Lage von wesentlichen Orientierungspunkten in einer für die Navigation nützlichen Weise darzustellen. Bis zu einem gewissen Grad sind Karten und Wegesysteme funktional äquivalent, sodaß Karten dort besonders wichtig werden, wo die Etablierung von Wegesystemen nicht möglich ist. Besonders nützlich für die Etablierung von Wegeystemen oder die Erstellung von Karten sind kontinuierliche, dauerhafte Wegmarken, von denen bekannt ist, daß sie zum Ziel hinführen. Navigation in Gruppen Betrachtet man nicht einzelne Individuen sondern Gruppen von Akteuren, die sich von einem Punkt A zu einem Punkt B bewegen, kann man sich fragen, mittels welcher sozialen Organisation die Gruppe die Navigationsleistung erbringt: üblicherweise nimmt man an, daß Navigationsleistungen in einem Individuum, das die Führung der Gruppe übernimmt, zentriert sind. Damit entfällt für die anderen Individuen die Navigationsaufgabe nicht völlig, wird aber erheblich erleichtert, da sie sich auf die Aufgabe, den Abstand zu jenem Individuum, das die Führung übernommen hat, nicht zu groß werden zu lassen beschränkt. Eine technische Lösung für Navigation in Gruppen ist der Personentransport. Hier ist der Zusammenhalt der Gruppe technisch fixiert, da sich Individuen in einem Container sammeln, womit für einen Teil dieser Individuen die Notwendigkeit der Navigation weitgehend entfällt und für einen anderen Teil die Aufgabe besteht, die Navigation dieses Containers zu übernehmen. Mit einer solchen Lösung wird nicht nur eine Zentrierung von Navigationsaufgaben unternommen, sondern auch eine Umschichtung von Navigationsaufgaben in Steuerungsaufgaben. Das völlige Entfallen von Navigationsaufgaben für die Passagiere, wird mit der erhöhten Komplexität der Steuerung einer technischen Apparatur erkauft. Denkbar sind aber auch weniger zentralistisch organisierte Gruppen, welche Navigationsaufgaben eventuell zeitlich dynamisch verteilen. Hier ist nicht nur an arbeitsteilig organisierte Gruppen zu denken, sondern auch an solche, in denen einen Konkurrenz von mehreren Navigatoren besteht. Dadurch können in Gruppen Navigationsaufgaben in gewissen Grenzen optimiert werden. Ein Beispiel für eine solche Organisation ist die Etablierung von Wegesystemen bei Ameisen zwischen Nest und Nahrungsquellen. Hier werden Wegesysteme anhand von Pheromonspuren etabliert, die umso stärker sind, je mehr Ameisen und je öfter diese einen bestimmten Weg benützen. Eine Ameise wird tendenziell jenen Weg wählen, dessen Pheromonspur stärker ist. Da jene Ameisen, die den kürzeren Weg wählen schneller wieder ins Nest zurückkehren, wächst die Stärke der Pheromonspur des optimaleren Wegs schneller als eines Vergleichswegs und es werden zunehmend mehr Ameisen diesen optimaleren Weg benützen. Allerdings hängt diese Leistung - wie eine interaktive Simulation darstellt - mindestens von der Anzahl der Ameisen und vom richtigen Verhältnis der Geschwindigkeit mit der sich der Duft der Pheromonspur in der Landschaft verteilt und der Rate, mit der er sich wieder verflüchtigt ab. Ein weiteres Beispiel für verteilte, führerlose Navigation in Gruppen stellt das Auftreten von Schwärmen dar. In einem klassischen Simulationsmodell wurde gezeigt, wie Schwärme als Folge von Verhaltensregeln, die Individuen vorgeben, sich aufeinander zuzubewegen, Kollisionen zu vermeiden und sich in Geschwindigkeit und Richtung an benachbarte Individuen anzupassen, erzeugt werden können. Kommen noch kontinuierliche, orientierende Wegmarken, wie beispielsweise konstante Winde oder Strömungen hinzu, ist vorstellbar, wie stabile, flexibel navigierende, führerlose Kollektive auftreten. Verteilte Wahrnehmung Im Bereich der Kognitionsforschung hat sich Edwin Hutchins in mehreren, empirischen Arbeiten mit menschlichen Gruppen als verteilten, kognitive Systeme auseinandergesetzt und dabei Fallbeispiele aus dem Bereich militärischer Schiffsnavigation (Hutchins, 1995) und der Zivilluftfahrt (Hutchins, Klausen: 1996) gewählt. Hutchins Theorie beschreibt die Verteilung der Organisation menschlicher, kognitiver Prozesse in drei Dimensionen: (1) Soziale Dimension: Kognitive Prozesse können zwischen Mitgliedern einer Gruppe verteilt sein. (2) Materielle Dimension: Sie können zwischen humanen Akteuren und ihrer materiellen Umwelt verteilt sein (3) Zeitliche Dimension: Sie können zeitlich so verteilt sein, "that the products of earlier events can transform the nature of later events"(Hutchins, o.J.) In der sozialen Dimension beschreibt Hutchins Fallbeispiele mit einer Teamgröße von unter 10 Personen, die mit der Navigation großer Fahrzeuge betraut sind und die unter Einhaltung einer stark reglementierten, kulturell gebildeten Programmatik mit hierarchisch geprägter Rollenverteilung agieren. Hutchins Ansatz, die Informationsverarbeitungsprozesse dieses Systems als Abfolge von verketteten Transformationen in unterschiedlichen Medien zu beschreiben, ist tendenziell bereits in dieser Programmatik angelegt. Allerdings wird diese Programmatik nicht einfach blind ausagiert, sondern durch eine Reflexionsebene ergänzt, die jeden Schritt dieser Informationsverarbeitung einer der benötigten Reaktionsgeschwindigkeit des Systems angepassten Plausibilitätskontrolle unterwirft und die ein unerlässliches Kontrollorgan der sozialen Organisation dieser Teams bildet. In der Verteilung kognitiver Prozesse zwischen humanen Akteuren und materieller Umwelt werden "kognitive Artefakte" wichtig. Sie ermöglichen, komplizierte, kognitive Aufgaben in eine für Menschen effizient handhabbare Form zu bringen. Deren funktionaler Anteil an den Informationsverarbeitungsprozessen des Navigationssystems ist in Hutchins Ansatz eine nicht zu vernachlässigende Systemebene. Hutchins verteilte Wahrnehmungssysteme beschreiben also einen Prozess der innerhalb eines sozio-technischen Hybridsystems abläuft. Die zeitliche Verteilung kognitiver Prozesse beschreibt eine historische Evolution kognitiver Artefakte. In der innovativen Kombination kognitiver Artefakte entstehen Kaskaden von aufeinander aufbauenden Problemlösungen, die menschliche Kognition von einer zunehmend selbst gestalteten Umwelt abhängig macht. Hutchins Systeme verteilter Wahrnehmung sind so Ergebnis einer spezifischen sozial- und technikgeschichtlichen Entwicklung Verteilte Wahrnehmung und Emergenz Hutchins Analysen werden heute im Bereich einer interdisziplinär orientierten, auf dem Begriff der Emergenz aufbauenden Sozialtheorie immer wieder zitiert. Dies nicht zuletzt wegen seiner recht frühen Versuche, in Gruppen auftretende Phänomene mit Hilfe von Computersimulationen zu analysieren (Hutchins, Hazelhurst 1995), eine Methode, die zunehmende Relevanz im Bereich der Sozialwissenschaften gewinnt. R. Keith Sawyer weist in seinem vor kurzem erschienenen Buch "Social Emergence: Societies as Complex Systems" aber auf die ambivalente Stellung hin, die Hutchins in Bezug auf den Emergenz-Begriff einnimmt. Hutchins Theorie wird von Sawyer als soziokulturell orientierte, elisionistische Theorie (im Sinne M. Archers) eingeordnet. Das gemeinsame Merkmal solcher elisionistischer Theorien ist, daß sie von einer Unmöglichkeit Individuum und sozialen Kontext zu trennen ausgehen und auf einer Prozessontologie aufbauen. Methodisch werden handlungs- bzw. ereignisbasierte Analyseeinheiten bevorzugt. Prozessontologien sehen Ereignisse als die ontologisch realen Letztelemente an. Objekte, Entitäten, Strukturen, etc. werden hier auf in Prozessen auftauchende Ereignisse zurückgeführt. Für elisionistische Theorien ist daher ein Rückgriff auf den Begriff Emergenz unmöglich, da damit die Anerkennung einer nicht auf Ereignisse rückführbaren Analyseebene verbunden wäre. Während Hutchins nun in einem Fall von Kultur als einem Prozess und kulturellen Objekten als Residuen dieses Prozesses spricht, findet man bei ihm ebenso Passagen, die eine Anerkennung des Emergenzbegriffs nahelegen: "The analysis reveals a pattern of cooperation and coordination of actions among the crew which on one level can be seen as a structure for propagating and processing information and on another level appears as a system of activity in which shared cognition emerges as a system level property"(Hutchins, Klausen 1996). Verteilte Kognition, so kann interpretiert werden, stellt eine emergente Eigenschaft eines koordinierten informationsverarbeitenden Prozesses in einer Gruppe dar. Schlußbemerkung Erfolgreiche Navigation wurde hier als Leistung eines kognitionsfähigen Systems dargestellt. Diese Leistung wird aber nicht nur von Individuen erbracht, sondern kann unter bestimmten Bedingungen auch als emergente Eigenschaft einer Gruppe von Individuen auftreten. Die Frage, wie Gruppen Navigationsfähigkeit und weitere emergente Eigenschaften herstellen ist aber nicht nur für Sozialwissenschaftler und Verhaltensforscher relevant, sondern beginnt zunehmend auch im Bereich des Designs von Multi-Robot-Systemen ins Zentrum des Interesses zu rücken (Lerman, Jones, Galstyan, Mataric 2006). Von der koordinierten Informationsverarbeitung dieser sehr unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen wird abhängen, in welchem Maß es gelingen wird, die Komplexität der sozialen Realität unter unsere Kontrolle zu bringen. Links: Ants (Netlogo-Model) Flocking (Netlogo-Model) Boids Literatur: Edwin Hutchins (1995): Cognition in the Wild. MIT Press Edwin Hutchins, B. Hazlehurst (1995): How to invent a lexicon: the development of shared symbols in interaction. In: Nigel Gilbert, Rosario Conte (Hrsg.): Artificial Societies: The computer simulation of social life. London: UCL Press. HTML Edwin Hutchins, Tove Klausen (1996): Distributed Cognition in an Airline Cockpit. In: Yrjö Engeström, David Middleton, (Hrsg.): Cognition and Communication at Work. Cambridge Univ. Press PDF Edwin Hutchins (O. J.): Distributed Cognition PDF Kristina Lerman, Chris Jones, Aram Galstyan, Maja J Mataric (2006): Analysis of Dynamic Task Allocation in Multi-Robot Systems. Arxiv Pre-Version R. Keith Sawyer (2005): Social Emergence: Societies as Complex Systems. Cambridge Univ. Press |
Mission statement |
On board |
Time table |
Contact |
Disclaimer |
Travelling expenses kindly beared by ma7 | This site is Web 2.0.1c compatible | Port of registry honorably provided |